Die Würzburg Baskets haben im Viertelfinale gegen Titelverteidiger ratiopharm ulm die nächste dicke Überraschung geschafft: In einem echten Krimi setzten sie sich am Mittwochabend in der mit 3140 Zuschauenden wieder einmal restlos ausverkauften tectake ARENA ohne den verletzten MVP Otis Livingston II mit 82:79 (44:34) durch. In einem intensiven und hart umkämpften Spiel gelang es den Gastgebern, sich in der ersten Halbzeit einen Zehn-Punkte-Vorsprung zu erarbeiten, den sie zu Beginn des dritten Viertels auf 51:36 ausbauen konnten. Die Führung konnten die Würzburg Baskets danach gegen alle Comeback-Versuche der Gäste verteidigen, auch wenn es in der Schlussphase noch einmal richtig spannend wurde.
Darius Perry verwandelte 5,4 Sekunden vor Schluss beim Stand von 80:79 zwei Freiwürfe zum Endstand, ein stark verteidigter Dreierversuch der Ulmer zur möglichen Verlängerung war nicht erfolgreich. Durch den ersten Heimsieg gegen ratiopharm ulm seit mehr als zwölf Jahren liegen die Baskets in der Viertelfinal-Serie mit zwei zu eins Siegen vorne und können mit einem weiteren Heimerfolg am Freitagabend (Sprungball 18:30 Uhr) zum zweiten Mal nach 2012 ins Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft einziehen. Für Spiel vier sind noch Tickets im Online-Shop erhältlich.
Die entscheidende Sequenz stand symbolisch für die starke Verteidigung der Heimmannschaft im gesamten Spielverlauf: Ulms Spielmacher Georghino de Paula schaffte es erst kurz vor Ablauf der erlaubten fünf Sekunden, einen Abnehmer für seinen Einwurf zu finden. Trevion Williams musste aus gut acht Metern werfen und verfehlte das Ziel. Der Ball landete von der Vorderkante des Rings in den Händen von Javon Bess, und der Jubel in einer den ganzen Abend ohrenbetäubend lauten tectake ARENA kannte keine Grenzen mehr.
Knapp zwei Minuten zuvor hatte eben jener Williams ein von den Schiedsrichtern als unsportlich bewertetes hartes Foul an Owen Klassen begangen. Würzburgs Center musste danach minutenlang behandelt werden und konnte nicht mehr weiterspielen. Max Ugrai, mit 14 Punkten zweitbester Würzburger Scorer hinter Zac Seljaas (17), verwandelte die fälligen Freiwürfe in Vertretung von Klassen zur 80:72-Führung.
In der Schlussphase der mit zunehmender Spieldauer immer hitzigeren und intensiveren Partie kämpfte sich der Deutsche Meister dann noch einmal auf 80:79 heran: Erst traf Thommy Klepeisz einen Dreier zum 88:77, dann Trevion Williams nach einem cleveren Foul von Max Ugrai sechs Sekunden vor dem Ende zwei Freiwürfe zum 80:79.
Nach einem taktischen Foul der Gäste ging Darius Perry (12 Punkte/7 Assists/4 Ballgewinne), der am Mittwochabend vierzig Minuten durchspielte, an die Linie und traf beide Freiwürfe. Er erhielt für seine Leistung hinterher ein Sonderlob von Headcoach Sasa Filipovsk: „Darius hat ein sehr gutes Spiel gemacht, auch wenn er seine dreier heute nicht getroffen hat. Er hat für die Mannschaft das getan, was ich von ihm erwartet habe.“
Dank einer geschlossenen Teamleistung (fünf Spieler punkteten zweistellig) hatten die Würzburg Baskets auch auf allen anderen Comeback-Versuche des Titelverteidiger jederzeit eine passende Antwort parat, nachdem sie sich durch konzentrierte Verteidigung und gute Ballbewegung in der ersten Halbzeit einen Zehn-Punkte-Vorsprung geholt und die Turnhölle bereits in dieser Phase zum Kochen gebracht hatten.
„Wahnsinn, was unsere Fans heute abgeliefert und wie sie uns gepusht haben. Nach dem Ausfall von Otis hätte uns wahrscheinlich niemand zugetraut, dass wir noch ein zweites Spiel in der Serie gewinnen. Wir wollen mehr“, sagte Baskets-Kapitän Felix Hoffmann nach seinem ersten Playoff-Heimsieg - der „Würzburg Warrior“ hatte im vierten Viertel den 600. Punkt seiner BBL-Karriere zum Zwischenstand von 66:60 erzielt.
In der ersten Halbzeit hatte Hoffmann den Spielstand nach einem Offensivrebound auf 32:23 gestellt - durch einen 10:0-Lauf übernahmen die Würzburg Baskets in dieser Phase die Führung, die sie hinterher auch nicht mehr hergeben sollten. Zu Beginn der zweiten Halbzeit bauten sie den Vorsprung durch zwei Dreier von Zac Seljaas und Julius Böhmer auf fünfzehn Zähler aus (51:36, 22. Minute).
Die Ulmer reagierten nach einer Auszeit mit einem 15:2-Zwischenspurt zum 53:51, die Antwort der Heimmannschaft erfolgte in Form von drei Freiwürfen von Isaiah Washington (12 Punkte/6 Assists) und einem Dreier von Javon Bess (13 Punkte/12 Rebounds) aber prompt.
Eine ähnliche Sequenz sahen die Zuschauer auch im Schlussabschnitt: Ulm kam auf 66:64 heran, dann versenkten Washington und Bess zwei Dreier zum 72:64. Kurze Zeit später bestraften die Baskets zwei unsportliche Fouls der Ulmer innerhalb von 79 Sekunden von der Freiwurflinie. Statistisch gesehen machten die Freiwürfe in diesem engen Spiel auch den Unterschied aus: Würzburg traf 18 von 20 (90 Prozent) und damit drei mehr als Ulm (15 von 21 / 71 Prozent).
Durch den ersten Playoff-Heimsieg seit dem Viertelfinale 2012 gegen ALBA BERLIN haben sich die Würzburg Baskets zwei Matchbälle geholt. Mit einem weiteren Erfolg am Freitagabend in der Turnhölle stehen sie im Halbfinale. Im Falle einer Niederlage wird die Serie am Sonntag ab 17 Uhr in der Ulmer ratiopharm arena entschieden.
Würzburg Baskets - ratiopharm ulm 82:79
(20:18, 24:16, 20:23, 18:22)
Für Würzburg spielten:
Zac Seljaas 17 Punkte/3 Dreier, Max Ugrai 14/1, Javon Bess 13/2 (12 Rebounds), Isaiah Washington 12/3 (6 Assists/2 Steals), Darius Perry 12 (7 Assists/4 Steals), Owen Klassen 7, Felix Hoffmann 4, Julius Böhmer 3/1, Collin Welp.
Top-Performer Ulm:
Thomas Klepeisz 15/3, LJ Figueroa 14/2, Trevion Williams 12 (7 Rebounds).
Key Stats:
Freiwürfe: Würzburg 18 von 20 (90 Prozent) - Ulm 15 von 21 (71 Prozent)
Punkte in der Zone: Würzburg 34 - Ulm 22
Stimmen zum Spiel
Max Ugrai, Würzburg Baskets:
„Ich war damals 2012 als Fan in der Halle dabei, als wir ALBA BERLIN im Viertelfinale geschlagen haben, da war es ähnlich laut wie heute. Als Spieler war es für mich eines der lautesten Spiele. Gerade in den Schlüsselsituationen, als gepfiffen wurde, war es extrem für alle Ohren, aber genau das brauchen wir, um zu gewinnen. Mich hat die Last nach dem Ausfall von Otis nicht so krass getroffen, aber Darius hat heute vierzig Minuten durchgespielt und ein ganz starkes Spiel gemacht. Wir mussten uns an die Situation anpassen, in Spiel zwei hat das noch nicht so gut geklappt wie heute. Vor allem defensiv müssen wir die Ulmer so bespielen, wie wir es heute gemacht haben. Zwölf Ballverluste sind zwar immer noch zu viel für unseren Geschmack, aber es offensiv war es ein ganzes Stück besser als am Montag. Jetzt wollen wir die Serie am Freitag beenden, aber Ulm wird sich etwas einfallen lassen und es wird sicher doppelt so hart wie heute.“
Zac Seljaas, Würzburg Baskets:
„Es war wieder ein sehr physisches Duell. Die beiden Teams haben sich in dieser Saison schon oft gesehen und kennen sich gut. Die Atmosphäre war toll, es hat wieder richtig Spaß gemacht. Meine Playoff-Erfahrung aus der ProA in der vergangenen Saison hilft mir sehr. Ich weiß, wie ich mich erholen muss und dass man immer nur an das nächste Spiel denken darf. Wenn ein Spieler ausfällt, heißt es bei uns ‚next man up‘. Wir haben als Team zusammen gekämpft, und die Intensität war sehr hoch heute. So ist das in den Playoffs, man muss für diesen Kampf immer bereit sein.“
Sasa Filipovski, Headcoach Würzburg Baskets:
„Glückwunsch an meine Mannschaft. Wir haben den Gameplan umgesetzt, eine gute Verteidigung gespielt und den Ball gut bewegt. Darius Perry hat heute ein sehr gutes Spiel gemacht, obwohl er seine Dreier nicht getroffen hat. Er hat für die Mannschaft das gemacht, was ich von ihm erwartet habe. Danke auch an unsere Fans, es war eine großartige Atmosphäre. Jetzt müssen wir ganz schnell regenerieren und in zwei Tagen wieder unser Bestes geben.“
Anton Gavel, Headcoach ratiopharm ulm:
„Glückwunsch an Sasa Filipovski und seine Mannschaft zum Sieg. Ich glaube, dass die erste Halbzeit entscheidend war, als wir die Würzburger Intensität nicht gematcht haben. Als der Rückstand dann in der zweiten Halbzeit gewachsen ist, sind wir in den Panikmodus verfallen und haben offensiv keine guten Entscheidungen getroffen. Wir konnten das Spiel im letzten Viertel trotzdem noch knapp machen, aber im Großen und Ganzen war es heute nicht genug, um hier zu gewinnen. Wir müssen auch defensiv einen besseren Job machen, da haben wir uns viel zu viele Fehler erlaubt. Wir stehen jetzt mit dem Rücken zur Wand und müssen zeigen, was für einen Charakter wir haben und was für eine Mannschaft wir sind. Wir freuen uns auf Freitag.“